Polizei darf Verkehrskontrolle vortäuschen

Vorgetäuschte Polizeikontrollen sind grundsätzlich zulässig

Die Vorinstanz hatte den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Kokain) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. 

Was war geschehen?
Als die Kriminalpolizei Frankfurt am Main über einen am Fahrzeug des Angeklagten angebrachten Peilsender feststellte, dass sich der Angeklagte nach Grenzübertritt wieder auf der Autobahn in Deutschland befand, entschloss sie sich, das Fahrzeug von der Verkehrspolizei Wiesbaden im Rahmen einer Verkehrskontrolle anhalten und durchsuchen zu lassen, um die mitgeführten Betäubungsmittel sicherzustellen. Dabei wurden im Inneren des Fahrzeugs mehrere Päckchen Kokain (insgesamt knapp 8 kg) aufgefunden. Ein richterlicher Beschluss für die Durchsuchung des Fahrzeugs, der die Offenbarung der im Hintergrund geführten verdeckten Ermittlungen zwangsläufig zur Folge gehabt hätte, wurde nicht eingeholt, um den vorübergehend in Marokko weilenden Hintermann nicht zu warnen. Der Ermittlungsrichter in Limburg erließ gegen den Beschuldigten Haftbefehl in Unkenntnis der im Hintergrund laufenden Ermittlungen in Frankfurt am Main. Erst nach Festnahme des wieder nach Deutschland eingereisten Hintermanns, aber noch vor Anklageerhebung gegen den Beschuldigten, wurden die Erkenntnisse aus dem in Frankfurt am Main geführten Ermittlungsverfahren offengelegt.

Die Entscheidung:
Der BGH hat entschieden, dass die Durchsuchung des Fahrzeugs des Angeklagten auf § 37 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 HSOG i.V.m. § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG bzw. § 40 Nr. 1 und 4 HSOG (Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung) gestützt werden konnte, die eine vorherige richterliche Anordnung (im Gegensatz zur Durchsuchung von Wohnungen) nicht voraussetzen.

Der Anwendung präventiv-polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Fahrzeugdurchsuchung bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Angeklagten vorlag, der auch ein Vorgehen nach §§ 102, 105 StPO ermöglicht hätte. Es besteht weder ein allgemeiner Vorrang der Strafprozessordnung gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht noch umgekehrt. Bei Gemengelagen, in denen sowohl repressives als auch präventives polizeiliches Handeln in Betracht kommt, bleiben strafprozessuale und gefahrenabwehrrechtliche Ermächtigungsgrundlagen grundsätzlich nebeneinander anwendbar.

Die im Rahmen der Fahrzeugdurchsuchung sichergestellten Betäubungsmittel waren gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO als Beweismittel im Strafprozess gegen den Angeklagten verwertbar. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke des hypothetischen Ersatzeingriffs zugrunde. Danach setzt die Verwendung polizeirechtlich gewonnener Erkenntnisse im Strafverfahren voraus, dass diese – wie hier – rechtmäßig erhoben wurden und zur Aufklärung einer Straftat dienen, aufgrund derer eine solche Maßnahme nach der Strafprozessordnung hätte angeordnet werden dürfen. Es ist nicht erforderlich, dass die formellen Anordnungsvoraussetzungen nach der Strafprozessordnung, wie etwa das Vorliegen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung, gewahrt worden sind.

(Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofes Nr. 54/2017 vom 26.04.2017)

Stellungnahme:
Der BGH hat mit dieser Entscheidung die Befugnisse der Polizei gestärkt. Ermittler durften in diesem Fall eine Verkehrskontrolle vortäuschen, um einen Drogendealer zu fassen. Die durch diese List erhaltenen Beweise dürfen nach Ansicht des BGH in dem Strafverfahren verwertet werden. Dies ist durchaus kritisch zu sehen: Mittels legendierter Kontrollen könnten sich Polizeibeamte so um rechtsstaatliche Standards "herummogeln". Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesverfassungsgericht mit dieser Frage befasst wird.

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